
In weniger als 4 Wochen geht es los. Ich ziehe um. Nach Bali. Auswandern ist eigentlich nicht das richtige Wort, da ich ja vor habe irgendwann wieder nach Hause zu kommen. Aber wie nennt man das denn dann was ich vorhabe? Alleine das Wort “auswandern” macht mich gerade nervös. Nicht der Gedanke, dass ich nach Bali gehe, es ist der Gedanke, dass ich bald meine Wohnung ausräumen muss. Dass bald jemand anders in meinen eigenen 4 Wänden wohnen wird. Und dass ich nicht weiß, wann ich meine Freunde und meine Familie das nächste Mal wieder in die Arme schließen kann.
Je näher der Tag der Abreise kommt, desto mehr wird mir bewusst, was ich da jetzt wirklich tue. Nächste Woche ist mein letzter Arbeitstag und darauf folgen noch viele “letzte Male”. Das letzte Mal beim Billa eine Mittagsjause kaufen, das letzte Mal mit meinen Kollegen im Büro lachen, das letzte Mal die Aussicht auf meinem Balkon genießen, das letzte Mal in meinem Bett schlafen, das letzte Mal die lieben Menschen um mich sehen … Mir wird gerade ganz mulmig.
Mache ich das wirklich?
“SIMONE, DU BISD A WÜDE HENN”
Das bekam ich in den letzten Wochen ganz schön oft zu hören. Neben “Boah, du traust dich was” war es meist die erste Reaktion auf mein Vorhaben. Doch bis jetzt war ich so dermaßen entspannt, dass dies noch mehr Erstaunen in meinem Gegenüber hervorrief. Ich verstand nicht ganz, warum das so etwas Außergewöhnliches ist bzw. wovor die meisten Menschen Angst haben? Warum bin ich eine “wüde Henn” wenn ich meine Träume verwirkliche? Warum hängt die Gesellschaft noch so sehr an den gelernten Gewohnten, am bekannten Alltag, am sicheren Job? Und warum schrecken die meisten so sehr vor Veränderung und Abenteuer zurück?
Ich bin immer noch relativ entspannt, aber halt nur relativ. Schön langsam finde ich selbst, dass ich eine “wüde Henn” bin und wirklich meinen Job gekündigt habe, aus meiner Wohnung ausziehe, mich von allem mir Bekanntem und den geliebten Menschen um mich herum verabschiede und nach Bali ziehe. Ganz alleine ins Ungewisse. Das ist irgendwie doch ein beängstigendes Gefühl – gleichzeitig aber richtig geil.
“SIND WIR MAL EHRLICH: NORMAL IST DAS NICHT WAS DU MACHST”
Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Eltern schwer zu akzeptieren ist, wenn ihr Kind sich so ins Abenteuer stürzt. Ohne einen fixen Job, ohne eine fixe Wohnung, ohne Ansprechpartner vor Ort … Obwohl ich selbst noch keine Kinder habe, versuche ich mich in die Situation von Mama und Papa hineinzuversetzen. Es macht sie traurig, dass sie mich nicht mehr um sich haben und gleichzeitig ist es schwer für sie zu akzeptieren, dass sie mir nicht mehr sagen können was ich zu tun habe oder eben nicht. Ich bin 29 Jahre alt und treffe meine eigenen Entscheidungen – in der Hinsicht war ich immer schon “radikal”. Wenn ich mir was vorgenommen habe, ziehe ich es meist durch. Ich persönlich bin sehr stolz auf diese Eigenschaft.
Gleichzeitig ist es mir aber trotzdem wichtig, dass auch meine Eltern stolz auf mich sind. Jedoch musste ich (schmerzlich) erfahren, dass ich diese Erwartungen zurückschrauben muss. In diesem Fall bekomme ich kein “gut gemacht” zu hören, da meine Eltern mit dieser Online Welt absolut gar nichts anfangen können. Einen sicheren Job haben, eine nette Wohnung (in der Nähe) haben, Mann, Kind, Haus und glücklich bis ans Lebensende wäre ihnen halt einfach lieber.
Nur für mich gibt es da einfach noch mehr als das.
Und dann bin ich halt nicht “normal”. Was ist schon normal? Ich bin ehrlich gesagt auch froh, dass ich kein Abklatsch der Gesellschaft bin.
Mir war von Anfang an bewusst, dass ich mir nicht den einfachsten Weg ausgesucht habe. Die Seitenstraßen sind oft holprig und voll mit Steinen, Pfützen und Schlaglöchern. Doch gibt es immer eine Möglichkeit diese Hindernisse zu passieren. Einfach stehen bleiben oder Umdrehen ist keine Alternative. Die einzige Lösung ist stark zu sein und darauf zu vertrauen, dass alles gut wird.
RAUS AUS DEM NEGATIVEN GEDANKENSTRUDEL
Die Gedanken sind ja schon ein Hund. Je mehr man sich in so einen Gedankenstrudel reindenkt umso mehr Angst kommt in einem auf. Doch das positive ist, dass ich selbst wählen kann. Ich kann wählen, ob ich mich gut oder schlecht fühlen möchte. Es ist alles eine Sache der Perspektive und ich kann eine Sache immer von mehreren Seiten betrachten. Wenn ich also ein kleines bisschen nervös werde, versetze ich mich einfach in Gedanken schon nach Bali.
In meinem Kopf spüre ich bereits die Wärme und die Sonne auf meiner Haut, ich laufe früh morgens zu meiner täglichen Yoga-Stunde, trinke nach dem Schwitzen einen Kokosnuss-Kefir, arbeite im Co-Working Space an meinen Geschäftsmodellen, kann endlich meine eigenen Ideen verwirklichen, lerne dort spannende Menschen kennen mit denen ich tolle Projekte umsetze, genieße das tropische Obst, das frische Gemüse und all die veganen Köstlichkeiten, habe Spaß daran surfen zu lernen und die Wellen zu reiten, lese am Strand viele Bücher, koche mit Freunden, mache mit ihnen Musik und verbringe schöne Stunden am Meer, verbringe Tage in den coolen Beach Clubs, höre chillige Musik, durchtanze verschwitzt ganze Nächte, lache aus tiefem Herzen, entdecke viele atemberaubende Plätze in der Umgebung und falle meiner Familie und Freunden in den Arm, die mich alle bald besuchen kommen. Und bis dahin können wir ja facetimen.
Dann weiß ich einfach wieder, dass es das alles wert ist und dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Adrenalin fließt durch meine Adern und ich bin bereit für dieses Abenteuer.
Alles Liebe,
Simone
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